Rund 69% der Japaner bekennen sich – zumindest teilweise – zum Shintoismus und auf deiner Reise nach Japan wirst du sicher auch den ein oder anderen shintoistischen Schrein besuchen. Trotzdem ist es gerade für „Nicht-Japaner“ oft schwierig, zu erkennen, was genau diese Religion ausmacht, die weder einen Gründer noch eine heilige Schrift besitzt.

Doch was genau ist Shintoismus und welche Auswirkungen hat er auf die Gesellschaft und Kultur?

Das und vieles mehr erfährst du im folgenden Beitrag:

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1. Glaube

Götter

Im Shintoismus gibt es unendlich viele Götter, die auf japanisch „Kami“ genannt werden. Dabei kann jeder Mensch und jedes Tier nach seinem Tod so ein Kami werden und auch Gegenstände oder Teile der Natur haben eine Seele. Sie leben überall z.B. in Bäumen, Bergen oder auch Gebäuden und den wichtigsten von ihnen werden Schreine geweiht, wie z.B. der Göttin Inari, die u.a. für Fruchtbarkeit und Reisanbau zuständig ist, oder Hachiman, dem Gott des Krieges und des Kampfes für Gerechtigkeit. Je nach Gegend werden regionale Kami besonders verehrt, wobei es Shintoisten freisteht, welchen Gott sie wann besuchen.

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Heilige Schrift und Schöpfung

Interessant ist auch, dass es im Shintoismus keine heilige Schrift gibt. Die einzigen Überlieferungen der Mythologie und des Glaubens sind zwei Bücher aus dem 8. Jahrhundert: Das „Kojiki“ (712 n.Chr.) und das „Nihon Shoki“ (720 n.Chr.).

In diesen ist auch die Schöpfungsgeschichte enthalten:

Am Anfang war die Welt ein flüssiges Chaos, das nur von Kami bewohnt war. Das Paar Izanagi und Izanami erschuf zusammen schließlich die Inseln Japans und viele weitere Kami, unter anderem die Sonnengöttin Amaterasu, die als direkte Vorfahrin der japanischen Kaisers (Tennō) gesehen wird. Das macht ihn bis heute zum Oberhaupt der Shintoismus

Nach dem Tod

Im Shintoismus bleibt eine Seele zwischen 33 und 49 Jahre nach ihrem Tod auf der Erde und nimmt Einfluss auf die Hinterbliebenen, bevor sie eins mit den Familien-Kami wird. Da es hierbei kein richtiges Leben nach dem Tod gibt, greifen viele Japaner bei der Bestattung auf buddhistische Bräuche zurück, um den Angehörigen das Nirwana zu ermöglichen. „Im Leben Shintoist, im Sterben Buddhist“ lautet hierbei die Devise.

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Priester

Die Priester im Shintoismus führen in den Schreinen religiöse Zeremonien durch, wobei früher vor allem Frauen die Rituale anleiteten. Heute sind allerdings vor allem Männer als Priester tätig. Mädchen hingegen arbeiten oft als „Schreindienerinnen“, auf japanisch „Miko“, die mit christlichen Ministranten vergleichbar sind. Jeder kann den Beruf des Priesters erlernen, wobei der erste „Nicht-japanische“ Shinto-Priester der Welt der Österreicher Florian Wiltschko ist. Außerdem ist es erlaubt zu heiraten und eine Familie zu gründen.

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Mentalität

Die typische japanische Denk- und Verhaltensweise basiert zu einem großen Teil auf dem Shintoismus. Die in der japanischen Gesellschaft verwurzelte Ehrung der Vorfahren und der älteren Mitmenschen hat dort ihren Ursprung. Genauso basiert auch die vorsichtige und höfliche Ausdrucksweise der Japaner auf dem Prinzip, dass Wörter eine Macht besitzen, die ihnen durch die Kami verliehen wurde.

Das berühmte „Konmari“ System zur Entrümpelung, das von der Japanerin Marie Kondo entwickelt wurde, nutzt ebenfalls Elemente dieser Religion. 

Dabei bedankst du dich bei allen Gegenständen dafür, dass sie dich begleitet haben, bevor du sie weggibst. Zu dieser Methode gibt es ausführliche Bücher und sogar eine eigene Sendung auf Netflix.

2. Geschichte

Schon während der Yoyoi-Kultur (300 v.Chr. bis 300 n.Chr.), also lange vor Einführung der Schrift in Japan, existierten Vorläufer des Shintoismus in Form von vielen regionalen und unterschiedlichen Traditionen, die erst mit Gründung eines frühen Staatswesens im 8. Jahrhundert nach Christus etwas vereinheitlicht wurden. Damals schlossen die Klans Bündnisse und einer von ihnen brachte später den ersten Kaiser hervor. Bei dieser frühen Form des Shintoismus flossen auch Aspekte aus dem Konfuzianismus und dem Daoismus sowie einige spezielle Klan-Gottheiten mit ein.

Zur selben Zeit kam auch der Buddhismus ins Land und vermischte sich teilweise mit dem Shintoismus.

Die erste schriftliche Quelle für den Shintoismus ist das Buch „Kojiki“ aus dem Jahr 712 n.Chr., das gleichzeitig auch eines der ältesten und umfangreichsten Dokumente aus Japan darstellt und die älteste Überlieferung der japanischen Sprache ist.

Darin wird die Schöpfungsgeschichte bis hin zur Herrschaft von Kaiserin Suiko behandelt.

Ein Werk namens „Nihon shoki“ aus dem Jahr 720 n.Chr. handelt im Großen und Ganzen von den selben Ereignissen, gibt sie jedoch realistischer wieder, weshalb es lange Zeit bedeutender als das Kojiki war.

Während der Meiji-Restauration 1868 wurden Buddhismus und Shintoismus strikt getrennt und letzterer zur Staatsreligion erklärt. Der Tenno war nicht mehr nur oberster Priester sondern wurde zu einem Kami erklärt. Dadurch wurde seine Verehrung an Schreinen zu einer bürgerlichen Pflicht, die im 2. Weltkrieg auch in den besetzten Gebieten in China und auf der koreanischen Halbinsel durchgesetzt wurde. Der Shintoismus wurde außerdem für militaristische und nationalistische Zwecke missbraucht. 

Das änderte sich erst nach Ende des Krieges und 1946 gab der Tenno seinen Status als Gott auf.

Das waren wichtige Hintergrundinformationen zum Shintoismus und seiner Geschichte. Im nächsten Beitrag erfährst du alles zu Schreinen und dem Gebet dort.

Bildquellen:

Hilfreiche Wörter

天皇 | tennō | japanischer Kaiser

神道 | shintō | Shintoismus („Weg der Götter“)

文化 | bunka | Kultur

古事記 | kojiki | das „Kojiki“

日本書紀 | nihon shoki | das „Nihon shoki“

仏教 | bukkyō | Buddhismus

神社 | jinja | Schrein

巫女 | miko | Schreindienerin 

神主 | kannushi | Shinto-Priester

神 | kami | shintoistischer Gott