Kennen all deine Verwandten die skurrilen Japanfakten aus dem Adventskalender 2021 schon auswendig? Und die japanischen Weihnachtshits von 2022 im Hintergrund sind auch schon alle bekannt?
Keine Sorge! Denn hier findest du im folgenden ab heute jeden Tag ein neues Gesprächsthema in Form eines übersetzten unübersetzbaren Wortes aus dem Japanischen – denn was wäre besser geeignet, um wieder ein bisschen Schwung in jede Familienweihnachtsfeier zu bringen, als ein kleiner Japanisch Crash-Kurs ;-)
Vorweg bereits für alle besonders Sprachinteressierten:
- Bei der Zerlegung der Wörter in ihre Bestandteile können für die verschiedenen Kanji ohne Kontext mehrere Lesungen richtig sein. Ich werde in diesen Fällen allerdings jeweils nur die Lesung angeben, die als eigenständiges Wort verwendet wird, auch wenn das Kanji im Zusammenhang des Wortes anders gelesen wird. 花火 (hanabi – Feuerwerk) würde danach in 花 (hana – Blume) und 火 (hi – Feuer) zerlegt werden, auch wenn 火 in diesem Wort „bi“ gelesen wird.
- Verben werden immer in der Grundform (-u) angegeben.
Jetzt geht es aber wirklich los:
1. Dezember: 口寂しい - kuchisabishii
Dieser Ausdruck setzt sich zusammen aus den Wörtern 口 (kuchi - Mund) und 寂しい (sabishii - einsam) und beschreibt auf Japanisch das Gefühl, einen Snack essen zu wollen, obwohl du keinen Hunger hast. Teilweise kann er sich statt auf Essen auch auf Zigaretten beziehen.
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2. Dezember: 木漏れ日 - komorebi
Dieser Ausdruck ist meiner Meinung nach einer der schönsten in der japanischen Sprache. Er setzt sich passenderweise zusammen aus 木 (ki - Baum), 漏る ( moru - durchsickern) und 日 (hi - Sonnenlicht) und bedeutet „Licht, das durch das Blätterdach eines Baumes fällt“.
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3. Dezember: 森林浴 - shinrinyoku
Teilweise in die deutsche Sprache geschafft hat es auch dieses Wort, das genau wie das gestrige Bezug zu Bäumen hat. Es setzt sich zusammen aus den Ausdrücken 森 (mori - Wald), 林 (hayashi - Wald) und 浴びる (abiru - baden), wobei man erstere auch zu 森林 (shinrin - Wald) zusammenfassen kann. „Waldbaden“ ist die Praxis des Spazierengehens im Wald, um die eigene physische und teilweise auch psychische Gesundheit zu verbessern.
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4. Dezember: 物の哀れ - mononoaware
Tief in der japanischen Kultur verankert ist dieser Begriff, der beispielsweise zur Kirschblüten-Saison Anwendung findet. Er setzt sich zusammen aus 物 (mono - Sache), の (no - von) und 哀れ (aware - u.a. Pathos/ Trauer) und beschreibt den Genuss der Schönheit einer Sache, während man sich gleichzeitig ihrer Vergänglichkeit bewusst wird. Kirschblüten, die in der japanischen Kultur eine große Bedeutung besitzen, sind ein hervorragendes Beispiel hierfür, da sie trotz ihrer unglaublichen Schönheit nur wenige Tage zu bewundern sind.
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5. Dezember: 侘び寂び - wabisabi
Nichts mit Wasabi - und einem vermeintlichen Tippfehler meinerseits ;-) - zu tun hat dieses Konzept, das vor allem im Westen oft falsch bzw. anders verstanden wird. Der Begriff setzt sich zusammen aus 侘(び) (wabi - Genuss des Einfachen) und 寂(び) (sabi - Patina) und bedeutet frei übersetzt die Perfektion der Imperfektion - die Schönheit des Alten und Einfachen. Anwendung findet er vor allem in traditionellen japanischen Künsten wie der Keramik (vor allem bei Kintsugi), Gartengestaltung, Ikebana, uvm. Im Westen unter Wabisabi jedoch meist ein puristischer Innenarchitekturstil verstanden. Dieser Unterschied in der Bedeutung zeigt sich besonders eindrucksvoll, wenn du in einem Browser deiner Wahl erst die Umschrift in römische Buchstaben und anschließend den japanischen Begriff in Schriftzeichen eingibst. Während bei „Wabisabi“ vor allem minimalistische Einrichtung angezeigt wird, sind es bei „侘び寂び“ fast ausschließlich Tempel und Gärten.
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6. Dezember: 恋の予感 - koinoyokan
Zu Nikolaus wird es jetzt richtig romantisch! Das heutige Wort setzt sich zusammen aus 恋 (koi - Liebe), の (no - von) und 予感 (yokan - Vorahnung) und beschreibt also die „Vorahnung von Liebe“ - also die Gewissheit bereits bei der ersten Begegnung, dass zwischen dir und deinem Gegenüber Liebe unausweichlich ist. Es ist allerdings kein direktes Äquivalent zu „Liebe auf den ersten Blick“, da bei 恋の予感 nur sicher ist, dass sich in der Zukunft Liebe anbahnen wird - nicht sofort.
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7. Dezember: 猫舌 - nekojita
Obwohl sich dieser Ausdruck aus 猫 (neko - Katze) und 舌 (shita - Zunge) zusammensetzt, hat er absolut nichts mit Tieren zu tun. Stattdessen beschreibt er eine Person, die keine zu heißen Gerichte essen kann und eine besonders hitzeempfindliche Zunge besitzt.
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8. Dezember: 花吹雪 - hanafubuki
Wir kommen zurück zu wunderschönen Naturschauspielen - dafür gibt es im japanischen erstaunlich viele Ausdrücke. Der heutige setzt sich zusammen aus 花 (hana - Blume/Blüte), 吹く (fuku - blasen) und 雪 (yuki - Schnee) und beschreibt das Durcheinanderwirbeln von Kirschblüten im Wind, die aussehen wie ein Schneegestöber.
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9. Dezember: 高嶺の花 - takanenohana
Auch in diesem Wort findet sich neben 高い (takai - hoch), 嶺 (mine - Gipfel) und の (no - von) das Kanji 花 (hana - Blume). Mit Blüten hat dieser Ausdruck allerdings nichts zu tun. Er beschreibt etwas Unerreichbares - wie etwa eine Blume auf einem hohen Berggipfel.
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10. Dezember: 風物詩 - fuubutsushi
Wieder zurück zur Natur: Dieser Ausdruck setzt sich zusammen aus 風 (kaze - Wind), 物 (mono - Sache) und 詩 (shi - Gedicht) und beschreibt Gegenstände (oder auch Gedichte), die dich an eine bestimmt Jahreszeit und damit verbundenen schöne Momente erinnern.
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11. Dezember: 積読 - tsundoku
In gewisser Weise kennen wir es doch fast alle: Du siehst ein spannendes Buch im Laden und beschließt spontan es zu kaufen - nur um es zu Hause auf einen hohen Stapel noch zu lesender Bücher zu legen. Dieses Konzept, Bücher zu horten, ohne sie zu lesen beschreibt dieses Wort, dass sich aus 積 (seki - Produkt) und 読む (yomu - lesen) zusammensetzt.
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12. Dezember: 浮世 - ukiyo
Bestehend aus 浮く(uku - schweben/schwimmen) und 世 (yo - Welt) hat dieses Wort mehrere verschiedene historische (meist negative) Bedeutungen. In der Moderne wird es genutzt, um die irdische und vergängliche Welt zu beschreiben, sowie jemanden, der frei von den Sorgen dieser, nur im Moment lebt.
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13. Dezember: 仕様がない - shiyouganai
Dieser Ausdruck besteht aus 仕様 (shiyou - Abhilfe,…), dem Partikel が (ga), das das Subjekt markiert, und ない/無い (nai - nicht existent). Damit beschreibt sich das zweite Adjektiv schon recht gut selbst (für alle besonders Interessierten: Es ist ein i-Adjektiv), denn es bedeutet frei übersetzt „Da kann man nichts machen“.
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14. Dezember: 懐かしい - natsukashii
Heute gibt es schon wieder ein i-Adjektiv. Es leitet sich vom Verb 懐く (natsuku - sich an etwas gewöhnen/ etwas in Herz schließen) ab und hat im Deutschen - wie es bei erstaunlich vielen japanischen Adjektiven der Fall ist - eher die Bedeutung eines Verbs. Es heißt „sich nostalgisch fühlen“ und beschreibt das Gefühl, an etwas altem zu hängen.
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15. Dezember: 無礼講 - bureikō
Heute wird es typisch japanisch: Dieses Wort setzt sich zusammen aus 無礼 (burei - frech) und 講 (kō - Vortrag/ Club) und bezeichnet den Verzicht auf formale Hierarchien - also eine Thematik, die tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist.
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16. Dezember: 別腹 - betsubara
Wie auch schon am 1. Dezember geht es heute um Essen, denn das Wort des Tages beschreibt den Zustand, in dem man eigentlich schon satt ist, aber immer noch ein wenig Platz für Dessert hat. Es besteht aus 別な (betsuna - separat) und 腹 (hara - Bauch).
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17. Dezember: お持て成し - omotenashi
Dieses Konzept in der japanischen Kultur setzt sich zusammen aus dem Honorativpräfix お(o), das nicht übersetzt wird, und 持て成す (motenasu - sich um jemand kümmern). Es umschließt das gesamte Konstrukt japanischer Gastfreundschaft. Wenn du schon mal in ihren Genuss gekommen bist, wirst du jetzt genau wissen, was ich meine und wenn nicht, hast du jetzt noch eine weitere „Ausrede“, nach Japan fahren zu müssen - oder ins nächste authentische japanische Restaurant.
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18. Dezember: 紅葉 - momiji
In den meisten Regionen Japans ist sie im Moment noch zu erleben, in den meisten ist sie jedoch schon wieder zu Ende: Die Rede ist von der Herbstlaubfärbung 紅葉. Der Begriff besteht aus 紅い (akai - [scharlach]rot) und 葉 (ha - Blatt) und beschreibt das einzigartige Farbenspiel der Blätter im Herbst - vor allem die scharlachroten Blätter des japanischen Ahorns und den knallgelben Ginkgo.
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19. Dezember: 生き甲斐 - ikigai
Nach einem Schwenk in die Natur beschäftigen wir uns wieder mit Philosophie. Das heutige Wort wird oft mit „Sinn des Lebens“ übersetzt, was die Bedeutung jedoch nur grob wiedergibt. Der Begriff setzt sich zusammen aus 生き (iki - Leben bzw. Lebendigkeit) und 甲斐 (kai - Wert bzw. Wirkung) und bezeichnet als etwas, das dem Leben eine Bedeutung und Leichtigkeit gibt und für das es sich lohnt, jeden Tag aufs neue aufzustehen. Es ist auch der Grund für viele Japaner, die ihre Tätigkeit bis ins hohe Alter ausführen, obwohl sie dies zum Teil finanziell nicht müssten. Vereinfacht basiert dieses Konzept auf vier Säulen: Was machst du gerne? Was kannst du gut? Was braucht die Welt? Wofür kannst du bezahlt werden?
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20. Dezember: 過労死 - karōshi
Ein sehr ernstes Problem, das viele Japanliebhaber in ihrer „Rosarote-Brille-Phase“ oft gekonnt ignorieren, behandeln wir heute. Es setzt sich zusammen aus dem Präfix 過 (ka - über-…), 労 (rō - Arbeit) und 死 (shi - Tod) und bezeichnet den Tod durch Überarbeitung. Nicht selten kommt es in der japanischen Arbeitswelt vor, dass von Arbeitnehmenden viele Überstunden - teilweise bis zu 100 pro Monat - verlangt werden. Dieser Druck wird sowohl von den Unternehmen selbst, als auch von den gesellschaftlichen Erwartungen ausgeübt. Die daraus resultierende unglaubliche Erschöpfung führt in einigen tragischen Fällen schlussendlich zu einem plötzlichen Tod - meist ausgelöst durch einen Herzinfarkt. Ob auch Suizide, die auf diese Umstände zurückzuführen sind, unter Karōshi fallen, ist umstritten, nichtsdestotrotz weisen sie auf die gleiche Problematik hin.
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21. Dezember: 川明り - kawaakari
Kommen wir zurück zur Natur. Dieser Begriff setzt sich zusammen aus 川 (kawa - Fluss) und 明り (akari - Licht bzw. heller Glanz) und beschreibt die Reflexion von Mondlicht auf einem Fluss in der Dunkelheit.
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22. Dezember: 高嶺の花 - takanenohana
Heute wird es richtig idiomatisch - eine schöne Umschreibung für den schlimmsten Albtraum aller, die Fremdsprachen lernen. Dieser Ausdruck besteht aus 高い (takai - hoch), 嶺 (mine - Gipfel), dem Partikel の (no), das den Genitiv ausdrückt und 花 (hana - Blume). Wörtlich wäre das eine Blume auf einem hohen Gipfel, im übertragen Sinne wird damit jedoch etwas Unerreichbares beschrieben.
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23. Dezember: 月見 - tsukimi
Wir kehren thematisch zum 21. Dezember zurück in ein nächtliches Ambiente. Der heutige Begriff setzt sich aus 月 (tsuki - Mond) und 見る (miru - anschauen) zusammen und beschreibt das Betrachten des Mondes, das beispielsweise zum neuen Jahr des Mondkalenders zelebriert wird. Oft wird es auch als „Mondschau“ übersetzt und in den meisten Fällen mit dem Honorativpräfix お (o) verwendet.
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24. Dezember: 空気読めない - kūkiyomenai
Das letzte Wort für dieses Jahr könnt ihr auf jeder Familienweihnachtsfeier beobachten. Es besteht aus 空気 (kūki - Stimmung bzw. Atmosphäre) und der negativen Möglichkeitsform von 読む (yomu - lesen) und heißt wortwörtlich „die Stimmung nicht lesen können“. Es beschreibt das Unvermögen, die Atmosphäre in einer Unterhaltung richtig einzuschätzen, und die daraus resultierende Abgabe von unpassenden Kommentaren und das Treten in Fettnäpfchen. Das dazu passende Verb ist 空気を読む (kūkiwoyomu), das das genaue Gegenteil beschreibt: Zwischen den Zeilen lesen und die Stimmung richtig einschätzen.
Also viel Erfolg beim 空気を読む, damit der Familienfrieden auch über die Feiertage gewahrt wird ;-)
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Frohe und besinnliche Weihnachten - みんなさん、メリクリスマス。
Hilfreiche Wörter
口 | kuchi | Mund
寂しい | sabishī | einsam
木 | ki | Baum
漏る | moru | durchsickern
日 | hi | Sonnenlicht
森 | mori | Wald
林 | hayashi | Wald
森林 | shinrin | Wald
浴びる | abiru | baden
物 | mono | Sache
哀れ | aware | Traurigkeit, Pathos, …
桜 | sakura | Kirschblüte
侘 | wabi | Genuss des Einfachen
寂 | sabi | Patina
恋 | koi | Liebe
予感 | yokan | Vorahnung
猫 | neko | Katze
舌 | shita | Zunge
花 | hana | Blüte/ Blume
吹く | fuku | blasen
雪 | yuki | Schnee
高い | takai | hoch/ teuer
嶺 | mine | Gipfel
花 | hana | Blume/ Blüte
風 | kaze | Wind
物 | mono | Sache
詩 | shi | Gedicht
積 | seki | Produkt
読む | yomu | lesen
浮く | uku | schwimmen, schweben
世 | yo | Welt
仕様 | shiyou | Abhilfe; Art und Weise; Verfahren
ない/無い | nai | nicht existent
懐く | natsuku | sich an etwas gewöhnen/ etwas ins Herz schließen
無礼 | burei | frech
講 | kō | Vortrag, Club
別な | betsuna | separat
腹 | hara | Bauch
お持て成す | omotenasu | sich um jemand kümmern
紅い | akai | (scharlach)rot
葉 | ha | Blatt
生き | iki | Leben, Lebendigkeit
甲斐 | kai | Wert, Wirkung
過 | ka | über-… (Präfix)
労 | rou | Arbeit
死 | shi | Tod
川 | kawa | Fluss
明り | akari | Licht, heller Glanz
高い | takai | hich
嶺 | mine | Gipfel
花 | hana | Blume
月 | tsuki | Mond
見る | miru | (an)schauen
空気 | kūki | Stimmung, Atomsphäre
読む | yomu | lesen