Spätestens am 25. Dezember ist das Weihnachtsfeeling, über das ich in diesem Beitrag geschrieben habe, weg. Dann beginnt nämlich die Vorbereitung auf das traditionelle Neujahrsfest. Solltest du eine Zugreise in dieser Zeit planen, musst du bereits weit im Voraus reservieren, denn alle fahren zu dieser Gelegenheit zurück nach Hause, um die Feiertage mit der Familie zu verbringen. Dabei gibt es gefühlt unendlich viele Traditionen!
Aber wie genau feiern die Japaner Neujahr eigentlich?
Das und vieles (in diesem Fall wirklich VIELES) mehr erfährst du im folgenden Beitrag:
1. Was ist Shōgatsu?
Das japanische Neujahrsfest heißt „Shōgatsu“ und wird seit Einführung des gregorianischen Kalenders in der Meiji-Zeit vom 1. bis zum 3. Januar gefeiert. Während diesen Tagen und manchmal sogar darüber hinaus sind auch Geschäfte und die meisten Restaurants geschlossen.
2. Traditionelles Essen
Am 31. Dezember gibt es meist „Toshikoshi Soba“, eine recht einfache Nudelsuppe mit Soba-Nudeln. Sie stehen unter anderem für Durchhaltevermögen und Glück. Zu japanischen Nudeln und einigen Gerichten, die du dir nicht entgehen lassen darfst, findest du mehr in diesem Beitrag.
Am nächsten Tag ist es dann soweit: Es ist Zeit für das „Osechi-ryori“ oder auch kurz „Osechi“. Dieses Festessen besteht aus unzähligen kleinen Gerichten die in mehrstöckigen lackierten Holzboxen (Jubako) angerichtet werden. Jedes Gericht hat dabei eine eigene Bedeutung. Die Zusammensetzung wird oft schon Wochen im Voraus geplant und nach mehrmaligem einkaufen stehen viele Frauen tagelang in der Küche. Meistens sind die kleinen Köstlichkeiten sehr süß oder sauer, denn früher, vor der Erfindung des Kühlschranks, mussten die Gerichte haltbar sein, wenn die Läden tagelang geschlossen hatten. Heute kannst du die Boxen auch schon fertig bestellen und an Neujahr abholen.
Zu einem richtigen Neujahrsessen gehört übrigens auch Ozoni, eine spezielle Suppe. Sie wird regional und von Familie zu Familie unterschiedlich zubereitet, z.B. in Kansai mit weißem Miso und in Kanto mit klarem Dashi. Darin befinden sich Mochi, die oft als „Reiskuchen“ bezeichnet werden. Dabei sind sie aber weniger Kuchen, sondern eher kleine Bällchen aus einer Art Brei aus japanischem Klebereis.
Außer in Suppe gibt es Mochi auch gefüllt mit rotem Bohnenmuß (Anko) als Dessert während der Feiertage. Mehr dazu erfährst du unter „3. Todesgefahr“.
3. Todesgefahr
Wie du unter „2. Traditionelles Essen“ lesen kannst, werden zu Neujahr oft Mochi gegessen. Jedes Jahr bringt das viele Japaner allerdings in Lebensgefahr! Die klebrigen kleinen Klößchen verirren sich nämlich gerne in die Luftröhre. Viele japanische Haushalte haben deshalb immer einen Staubsauger zur Hand, sollten die empfohlenen Handgriffe zur Entfernung der Mochi aus dem Hals nicht funktionieren. So retten Staubsauger jedes Jahr vielen das Leben.
4. Neujahrskarten
Während wir Weihnachtskarten verschicken, schreiben Japaner Neujahrskarten (Nangajō). Die gibt es allerdings nicht nur für Familie und Freunde sondern für jeden, den du kennst. Kollegen, entfernte Verwandte - nicht auszudenken, wenn du jemanden vergisst!
Weil du natürlich nicht jedem selbst eine Karte schreiben kannst, bestellen viele Japaner die meisten. Dafür gibt es einige Internetseiten, hier ein paar (japanische Beispiele):
Die Vorderseite ist geschmückt mit Fotos und/ oder dem Tierkreiszeichen des kommenden Jahres und einem typischen Spruch, der viel Erfolg wünscht - das übliche eben. Auf der Rückseite muss nur noch die jeweilige Adresse eingetragen werden - so einfach ist das.
Natürlich basteln viele aber auch zum Beispiel mit ihren Kindern Karten für die Familie - wie zu Weihnachten in Deutschland. Die werden dann auch noch mit Fotos beklebt. Für 2022 ist das Tierkreiszeichen übrigens der Tiger.
Damit die Karten auch rechtzeitig ankommen, garantiert die japanische Post, alle Neujahrskarten, die bis zum 25. Dezember eingeworfen werden, exakt am 1. Januar zuzustellen.
5. Tempel-/ Schreinbesuch
Ob um Mitternacht oder erst im Laufe des 1. Januars - zum Jahreswechsel wird es voll in Japans Tempeln und Schreine. Riesige Menschenmassen sammeln sich vor allem in den „großen“ heiligen Stätten, wie zum Beispiel dem Meiji-jingu in Tokio oder dem Yasaka-jinja in Kyoto, denn jeder will um Glück im neuen Jahr bitten. Wenn du wissen willst, wie man an einem Schrein richtig betet, erfährst du das in diesem Beitrag.
Aber das ist nicht der einzige Grund, aus dem es die Japaner dorthin zieht. Denn zu Neujahr gibt es dort Glückslose zu kaufen. Darauf steht eine Weissagung für das neue Jahr.
In buddhistischen Tempel läutet eine Glocke pünktlich zu Mitternacht übrigens 108 mal, wodurch die 108 weltlichen Begierden des Menschen die Erde verlassen sollen. Das nennt man „Joya no kane“. Nur der letze Glockenschlag ist übrigens am 1. Januar, die 107 davor sind noch am 31. Dezember.
6. Die vier Hatsu‘s
„Hatsu“ bedeutet „der/ die/ das erste“ und davon gibt es im neuen Jahr natürlich eine ganze Menge:
Hatsu-mōde ist der erste Schreinbesuch, zu dem du mehr unter „4. Tempel-/ Schreinbesuch“ findest.
Hatsu-yume ist der erste Traum im neuen Jahr.
Hatsu-hinode ist der erste Sonnenaufgang. Um den zu sehen besteigen viele Tokioter den Takao-san, den Hausberg Tokios. Einige Wagemutige besteigen jedes Jahr auch den Fuji-san, um den Sonnenaufgang zu sehen. Da die Wanderung im Winter sehr gefährlich ist und die Hütten geschlossen haben, ist das allerdings lebensgefährlich!
Hatsu-uri ist der erste Verkauf - und der verspricht Schnäppchen! Im neuen Jahr veranstalten die großen Kaufhäuser nämlich einen Ausverkauf, bei dem du Wundertüten (Fukubukuro) kaufen kannst. In diesen undurchsichtigen Papiertüten findest du alles mögliche - auch Dinge, die du dir selbst nie gekauft hättest. Das einzige, was dabei ziemlich sicher ist, ist dass die Tüten wesentlich billiger sind, als der Inhalt.
7. Geschenke
Otoshidama
Das sind kleine Geldgeschenke für Kinder. Sie werden in schön dekorierten Kuverts übergeben.
Oseibo
Für manche, wie etwa den Chef, muss speziell zu Neujahr ein Geschenk her. Dabei darf es auch gerne mal pragmatisch sein. Es gilt natürlich wieder: Ob Bierdosen, Schinken, Obst oder Waschmittel - was zählt ist eine schöne Verpackung.
8. Frühjahrsputz
Ein wichtiger Bestandteil des Frühjahrsputzes (Ōsōji) ist das sogenannte „Susuharai“, das „Ruß-Wegwischen“, bei dem man den Boden fegt. Dieses findet seit der Edo-Zeit am 13. Dezember statt. Auch wenn private Haushalte bei der Wahl des Termins inzwischen recht flexibel sind, hält man sich in Schreinen und Tempeln genau an das Datum.
9. Dekorationen
Kadomatsu
Das besteht aus einem Bottich, in den drei oben schräg angeschnittene Bambusrohre stecken. Dahinter sind Kiefernzweige platziert und das ganze wird mit Seilen um den Bottich, und manchmal einem Fächer und anderen Zweigen oder Blumen dekoriert.
Es soll die Ahnen und Götter willkommen heißen und je eines wird links und rechts zum Beispiel neben der Haustür aufgestellt.
Der Bambus steht dabei für Stärke und Reichtum, die Kiefern für ein langes Leben und die Seile bieten Schutz vor bösen Geistern.
Am 15. Januar werden die meisten dann aber im Schrein abgegeben, wo sie verbrannt werden. Dadurch werden die Götter und Vorfahren wieder freigegeben.
Shimekazari
Das sind Kränze aus heiligem Shinto-Stroh, Kiefern und Zickzack-Papier. Sie werden an der Haustür aufgehängt und laden gute Geister ein, während sie die bösen fern halten. Dabei sollen sie auch für eine gute Zukunft und eine reiche Ernte sorgen.
Mochibana
So nennt man Zweige, auf die rosa und weiße Mochi gesteckt werden. Sie sehen aus wie Sakura (Kirschblüten) und werden auch gerne zu anderen Festivitäten aufgehängt.
Kagami Mochi
Ab 28. Dezember werden diese kleine Mochi-Türmchen aufgestellt. Sie bestehen aus zwei runden Mochi (mehr dazu unter „2. Traditionelles Essen“ und „3. Lebensgefahr“), die das vergangene und das jetzige Jahr repräsentieren, und einer japanischen Mandarine (Mikan), die den Bestand der Familie von einer Generation zur nächsten symbolisiert. Das ganze wird manchmal noch mit einem Fächer für eine gute Zukunft getoppt.
10. Japanisches „Dinner for one“
Bei den Deutschen ist es „Dinner for one“, bei den Japanern „Kohaku Uta Gassen“. Der „rot-weiße-Gesangswettbewerb“ läuft in Japan seit 1951 und hat damit drei Kaiser überdauert!
Die ersten drei Jahre fand er am 2. bzw. 3. Januar statt und wurde im Radio übertragen. Seitdem kannst du ihn immer am 31. Dezember auch im Fernsehen unter anderem im öffentlich rechtlichen Sender „NHK“ anschauen - vorausgesetzt, du lebst in Japan. Hier findest du die offizielle japanische Seite des Wettbewerbs.
In dieser mehrstündigen Fernsehshow treten zwei Teams aus Sängerinnen, Sängern und Bands aus den Bereichen Pop und Enka (japanischer Schlager) gegen einander an. Falls du mehr über japanische Musik erfahren möchtest, kannst du das in diesem Beitrag.
Dabei besteht das rote Team „Akagumi“ aus 25 weiblichen Sängerinnen bzw. Bands mit weiblicher Sängerin und das weiße Team „Shirogumi“ aus 25 männlichen Sänger bzw. Bands mit männlichem Sänger.
Am „Kohaku Uta Gessen“ teilnehmen zu dürfen, ist dabei eine große Ehre, denn nur die erfolgreichsten Künstler des Jahres werden eingeladen.
Von einer Jury aus prominenten Personen des vergangenen Jahres und den Zuschauern wird dann der Gewinner gewählt.
Das waren die wichtigsten Informationen zum Neujahrsfest in Japan. In diesem Sinne:
明けましておめでとうございます。(Ein frohes neues Jahr!)
Bildquellen
Hilfreiche Wörter
正月 | shōgatsu | japanisches Neujahr
明けましておめでとうございます | akemashite omedetō gozaimas(u) | „Ein frohes neues Jahr!“
年越しそば | toshikoshi-soba | Soba, die an Silvester gegessen werden
おせち料理 | osechi-ryōri | Japanisches Neujahrsessen
重箱 | jūbako | lackierte Holzboxen für Osechi
お雑煮 | ozōni | japanische Neujahrssuppe mit Mochi
餅 | mochi | japanische Reiskuchen
餡子 | anko | süße japanische Bohnenpaste
年賀状 | nengajō | japanische Neujahrskarte
除夜の鐘 | joya no kane | Glockenschläge in Tempeln zu Neujahr
初詣 | hatsu-mōde | erster Tempel-/ Schreinbesuch im neuen Jahr
初夢 | hatsu-yume | erster Traum im neuen Jahr
初日の出 | hatsu-hinode | erster Sonnenaufgang im neuen Jahr
初売り | hatsu-uri | erster Verkauf im neuen Jahr
福袋 | fukubukuro | Fukubukuro: Undurchsichtige Tüten mit stark verbilligtem Inhalt
お年玉 | otoshidama | Geldgeschenk für Kinder zu Neujahr (🧧)
お歳暮 | oseibo | Geschenk zum Jahresende
大掃除 | ōsōji | Frühlingsputz
煤払い | susuharai | Staubwischen, Teil des Ōsōji
門松 | kadomatsu | Kadomatsu: Bambus-Kiefer-Gesteck (🎍)
しめ飾り | shimekazari | Shimekazari: Strohkranz
餅花 | mochibana | Mochibana: Äste mit Mochi daran
鏡餅 | kagami-mochi | Kagami Mochi: Mochi-Türmchen
紅白歌合戦 | kōhaku uta gassen | Kōhaku Uta Gassen: Japanischer Gesangswettbewerb